IV. Tagung für Praktische Philosophie
29. & 30. September 2016
Plenarvortrag
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Elif Özmen (Regensburg)
Eine Theorie der Ungerechtigkeit Abstract: Der Mainstream der politischen Philosophie der Gegenwart ist auf eine Ausarbeitung von Prinzipien der Gerechtigkeit fokussiert. Die Gründe hierfür liegen in i) einer systematischen Trennung von Fragen des Rechten/ der Gerechtigkeit und des Guten/ der Ethik, ii) einer Priorisierung des Rechten vor dem Guten und iii) der Beschränkung des Rechten auf „grundlegende“ Prinzipien. Eine kognitiv gehaltvolle Rechtfertigung wird offenbar nur für diesen begrenzten, minimalen, nichtsdestoweniger substantiellen normativen Kern der politischen Ordnung erwartet. In meinem Vortrag möchte ich dafür argumentieren, diesen methodologischen und inhaltlichen Kern der Gerechtigkeit über eine Konzeption der Ungerechtigkeit zu erschließen. Dem berühmten Eingangssatz der Theory of Justice von John Rawls: „Die Gerechtigkeit ist die erste Tugend sozialer Institutionen“, wäre demnach voranzustellen: „Die Ungerechtigkeit ist das erste Laster sozialer Interaktionen“. Ungerechtigkeit wird vom mir verstanden als ein geteiltes Wissen um das, was Menschen einander antun können und wovor daher jeder vernünftige Mensch Grund hat, sich zu fürchten und zu schützen. Im ersten Teil des Vortrages werde ich dieses summum malum - paradigmatische und im menschlichen Zusammenleben zu erwartende Formen der Ungerechtigkeit, Grausamkeit und Gewalttätigkeit - analysieren mit Rückgriff auf verschiedene, allerdings bestenfalls lose miteinander verbundene Beiträge (etwa die sog. liberalen Verteidigungsrechte, die Idee eines Liberalism of fear, die negative Ethik und Dialektik oder die aktuelle Debatte über moral evil). Im zweiten Teil werde ich das argumentative Potential der Ungerechtigkeit als Ausgangsprinzip der politischen Philosophie, als Grundnorm der Begründung der politischen Ordnung wie auch der konkreten Praxis in der liberalen Demokratie erkunden.
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Plenarvortrag
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Peter Schaber (Zürich)
Wie machen Einwilligungen aus unerlaubten erlaubte Handlungen? Abstract: Durch Einwilligungen erlauben wir anderen Dinge zu tun, die ohne Einwilligung moralisch unerlaubt wären. Eine medizinische Behandlung ohne Einwilligung stellt eine Körperverletzung dar, die Benutzung fremden Eigentums ohne Einwilligung ist Diebstahl und Sex ohne Einwilligung sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung. Die deontischen Eigenschaften von Handlungen lassen sich in der Regel nicht durch unseren Willen verändern. Das wirft die Frage, wieso das bei Einwilligungen der Fall sein kann und wie Einwilligungen aus unerlaubten erlaubte Handlungen machen. Um genauer zu verstehen, wie Einwilligungen die deontischen Eigenschaften von Handlungen verändern, muss man wissen, was wir tun, wenn wir einwilligen. Das soll im ersten Teil des Vortrags untersucht werden. Im zweiten Teil soll das Verständnis von Einwilligung dann für die Frage, wie Einwilligungen Handlungen erlaubt machen, fruchtbar gemacht werden.
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