PLENARVORTRAG
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Thomas Schramme (Liverpool)
Empathie und Moralfähigkeit Abstract: Einige Moralphilosophen und vielleicht noch mehr Moralpsychologen sind der Meinung, dass Empathie wichtig (vielleicht sogar notwendig) ist, um moralisch zu sein. Ich möchte diese These in einer qualifizierten Weise verteidigen, denn einfach formuliert lädt sie zu Missverständnissen ein. Dazu gilt es zunächst, den Begriff der Empathie näher zu untersuchen. Es zeigt sich, dass das Phänomen des Einfühlens weit komplexer ist, als häufig gesehen wird. Wichtig ist dabei auch, Empathie nicht mit dem Mitgefühl zu verwechseln, das selbst bereits moralische Konnotationen hat und die zu prüfende These trivial werden lässt. Des Weiteren möchte ich zwei psychische Störungen einführen, Psychopathie und Autismus, die jeweils im Kontext der eingangs genannten These diskutiert wurden. Hier kann die Analyse des Empathiebegriffs helfen, voreilige theoretische Schlüsse zu den Grundlagen der Moral zu verhindern. Zuletzt wende ich mich der Idee der Moralfähigkeit zu, die ebenfalls unterschiedlich verstanden werden kann. Dabei werde ich eine im weitesten Sinne tugendethische Auffassung vertreten. Somit gelange ich zu einer qualifizierten These bezüglich der Bedeutung von Empathie für die Moralfähigkeit von Menschen. Die Rolle der Empathie besteht demzufolge in erster Linie in einer entwicklungspsychologischen Dimension: Wir brauchen Einfühlungsvermögen, um überhaupt in der Lage sein zu können, den moralischen Standpunkt einzunehmen. Bio: Thomas Schramme ist seit 2016 Professor für Praktische Philosophie an der University of Liverpool und war zuvor Professor an der Universität Hamburg. In Forschung und Lehre arbeitet Thomas Schramme auf den Gebieten Ethik, Politische Philosophie, Medizinphilosophie und Bioethik. Als Philosoph beschäftigt er sich auch mit der Klassifikation psychischer Störungen. Ein spezielles Forschungsthema ist der Konflikt zwischen Paternalismus und Selbstbestimmungsrecht. Dabei wird das Recht auf eine individuelle Selbstbestimmung einerseits unter dem Aspekt der Freiheit und deren Grenzen gesehen.
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PLENARVORTRAG
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Véronique Zanetti (Bielefeld)
Das Paradox moralischer Kompromisse Abstract: Das Paradox hat folgende Form: Findet sich eine moralisch überzeugende Begründung für einen Kompromiss und ist der Kompromiss moralisch gut, so löst er sich als Kompromiss auf und verwandelt sich in einen rationalen Konsens. Bleiben wir hingegen innerhalb der Grenzen eines Kompromisses, müssen wir erklären, weshalb wir bereit sind, moralische Pflichten, die sich aus unseren moralischen Überzeugungen oder Präferenzen ergeben, hintanzustellen und ihnen Pflichten vorzuziehen, die aus Präferenzen stammen, die wir nicht teilen. Das Paradox führt zu einer weiteren Frage: Kann ein Kompromiss überhaupt moralisch sein? Damit frage ich nicht, ob wir moralische Gründe haben, einen Kompromiss zu schließen. Die Frage zielt darauf, ob das Ergebnis eines Kompromisses, das moralische Prinzipien impliziert, selbst moralisch sein kann. Bio: Véronique Zanetti is Professorin für Politische Philosophie und Rechtsphilosophie an der Universität Bielefeld. Ihre Arbeitsschwerpunkt liegt vor allem in der Lehre des gerechten Krieges, auf Dimensionen des Friedens und auf Theorien der globalen Gerechtigkeit. Zum aktuellen Forschungsbereich gehört außerdem die begriffliche und phänomenologische Analyse moralischer Kompromisse und die Untersuchung ihres Beitrags zur politischen Lösung von gesellschaftlichen Konflikten. Kompromisse werden als ein produktiver Umgang mit tief greifenden Konflikten der Gegenwart interpretiert. Daneben beschäftigt sich Véronique Zanetti mit allgemeinen Themen der Ethik in der weiteren Nachfolge Kants, über dessen Werk, besonders die Natur-Teleologie, sie auch sonst gearbeitet hat.
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